Starnberger See: Rückzugsidyll für Maler, Musiker und Literaten
Die historischen Villen prägen bis heute die Landschaft rund um den Starnberger See. War der sommerliche Aufenthalt am See einst dem Adel vorbehalten, so verbrachte spätestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auch das Münchner Großbürgertum die Sommermonate vor den Toren der Stadt. Bald darauf kamen die ersten „Zuagroasten“. Wer es sich leisten konnte, der residierte standesgemäß in einem herrschaftlichen Anwesen am Starnberger See, am besten mit großem Garten oder gar Park. Die repräsentative Sommervilla sollte vor allem dem Wohlstand ihres Besitzers Ausdruck verleihen – eine illustre Gästeliste diente als Zeugnis seines gesellschaftlichen Ansehens.
Es waren jedoch die Münchner Maler, die lange vor den „Großkopferten“ der Schönheit des Starnberger Sees verfallen waren: Max Joseph Wagenbauers Gemälde „Starnberger See“ aus dem Jahr 1807 ist eins der eindrücklichen Zeugnisse für die vielzitierte „Entdeckung der Landschaft“. Die Künstler waren nicht nur Wegbereiter für den im 19. Jahrhundert einsetzenden Fremdenverkehr: Maler, Musiker und Literaten waren auch gern gesehene Gäste in den Sommerhäusern des Bürgertums und bereicherten das gesellschaftliche Leben. Rottmann und Kaulbach, Leibl, Corinth und Kandinsky malten am Starnberger See. Richard Wagner und Thomas Mann waren da. Gustav Meyrink und Adolf von Hildebrand wohnten in Starnberg. Franz von Lenbach, Gabriel von Max und Moritz von Schwind bauten sich eigene Villen. Das Bild, das Gabriel von Max von seinem Landhaus in Ammerland malte, steht für das sommerliche Lebensgefühl am See. Später kamen Schauspieler, Stars und Sternchen.
Kommen Sie mit der Autorin auf einen Rundgang um den Starnberger See: von Feldafing über Tutzing und Seeshaupt, nach Ambach, Berg und Pöcking!
Die Villen und Landhäuser am Starnberger See spiegeln natürlich auch die Architekturströmungen wider: Die ersten Villen waren vom Klassizismus geprägt, wie ihn Carl von Fischer und Leo von Klenze nach München gebracht hatten. Um die Mitte des Jahrhunderts kam als Nachwirkung der Romantik das »einfache« Landleben in Mode und man ließ sich vom oberbayerischen Bauernhaus oder aber vom sogenannten Schweizerhaus inspirieren. Das 1854 errichtete »Casino« auf der Roseninsel war Vorbild für einen dritten Typus, der vom Landhaus der Toskana abgeleitet wurde und vor allem durch ein Türmchen als Aussichtspunkt charakterisiert war. Eine Variation war der sogenannte Maximiliansstil, wie ihn etwa der Münchner Architekt Arnold Zenetti in der Niederpöckinger Villenkolonie umsetzte. Die Prinzregentenzeit brachte die historistischen Villenbauten hervor, die an mittelalterliche Burgen erinnern oder mit ihren Balkonen, Loggien, Terrassen, Erkern, Türmen und Fachwerkgiebeln gleich eine ganze Reihe von Stilen zitieren. Jugendstil, Reformarchitektur und Neue Sachlichkeit führten zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch am Starnberger See zu einigen mehr als kühnen architektonischen Entwürfen, die noch heute überraschend modern wirken.
Vor allem aber waren die Villen Schauplätze von Liebesgeschichten und Dramen, von Geistesblitzen in großer Einsamkeit, von Gipfeltreffen der Kunst, von schmutzigen Geschäften und von konspirativen Zusammenkünften. »Sehnsucht Starnberger See« erzählt deshalb nicht die Historie der Häuser, sondern Geschichten von Menschen, die in ihnen lebten, liebten, litten – und starben.