»Heute, wenn Einer einen freien Gedanken ausspricht, bleiben ihm nur drei Wege: Irrenhaus, Gefängnis oder die Flucht. Bekent er sich offen zur Geisteskrankheit, so drückt der Bezirksarzt ein Auge zu und – er verschwindet. Ist er hartnäckig und bleibt auf seinem Verstande stehen, dann nimt das Gericht seinen Lauf und – er verschwindet. Verläßt er das Land des Asfalts, bevor ihm die Schuhsohlen verbrennen, so schließt sich hinter ihm die Barriere und – er verschwindet.« Oskar Panizza
Das war sein Leben, darüber schrieb er. Das »Panizza-Lesebuch« zeigt den wütenden, den verzweifelten, aber auch den bisher kaum bekannten humorvollen, spöttischen Panizza in Prosa, Briefen, Gedichten und essayistischen Texten. Neuentdecktes gegen den Katholizismus und über die Passionsspiele in Oberammergau erinnert an den Pamphletisten, Volkskundler und
Theaterwissenschaftler. Seine erstmals vollständig gedruckten Notizen aus dem Amberger Zuchthaus spiegeln Gefängnistexte von Rosa Luxemburg bis Peter-Paul Zahl wider. In Korrespondenz mit emanzipierten Schriftstellerinnen stellt das »Panizza-Lesebuch« erstmals auch den amourösen Mephisto Panizza vor. Von seiner militant religiösen Mutter überwacht und als Zögling einer pietistischen Knabenschule möglicherweise missbraucht, taumelte er in seinen Fantasien ein Leben lang zwischen großen Frauen wie Franziska zu Reventlow und schlichten Freudenmädchen.