August Wilhelm Ambros (1816–1876) – bisher hauptsächlich durch seine musikhistoriographische Arbeit bekannt – wird zum ersten Mal als Musikästhetiker eingehend vorgestellt. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Schrift Die Gränzen der Musik und Poesie, mit der Ambros 1855 eine Polemik gegen Eduard Hanslicks Traktat Vom Musikalisch-Schönen vorgelegt hat. Diese Schrift wird zum einen in den Gesamtkontext von Ambros’ Musikästhetik eingeordnet, wofür zahlreiche von ihm veröffentlichte Zeitschriftenaufsätze und Zeitungsrezensionen berücksichtigt werden, zum anderen in den musikästhetischen Diskurs der damaligen Zeit eingebettet. Abgesehen von Hanslicks Traktat wird dieser Diskurs insbesondere anhand von Schriften von Adolf Bernhard Marx, Franz Brendel, Richard Wagner und Franz Liszt rekonstruiert. Die außergewöhnliche Pluralität der musikästhetischen Anschauung Ambros’ beweist nachdrücklich, dass das musikästhetische Denken um 1850 keineswegs so schwarz-weiß gewesen ist, wie es der Parteienkampf der Inhalts- und Formalästhetik suggerieren könnte.
Stedronska